1448

Die Geschichte von Siedlce reicht mehr als 470 Jahre zurück. Die ersten Informationen über die Stadt stammen aus dem Jahr 1448. Das Gebiet, auf dem Siedlce gegenwärtig liegt, war damals der nördlichste Teil des kleinpolnischen Landes Lukow und gehörte zur Sandomierz-Woiwodschaft, seit 1474 zur Lubliner-Woiwodschaft.

Die territoriale Zuordnung hat sich bis zur dritten Teilung Polens (1795) nicht geändert. Das Gebiet grenzt im Westen, entlang des Flüsschens Muchawka, an das Gebiet mit den Orten Czersk und Liw. Im Norden und Osten ist der Fluss Liwiec die Grenze zu Podlachien.

Die Lage in der Gabelung der Flüsse Muchawka und Liwiec istrelativ weit entfernt von den Hauptverkehrswegen. Im Mittelalter führten die Hauptverbindungswege nördlich an Siedlce vorbei, zum einen die Podlachien-Route von Danzig über Lomza, Wegrow, Drohiczyn nach Lukow und weiter nach Lublin, zum anderen die Warschau-Route, die Warschau mit Litauen verbunden hat und über Stanislawow, Liw, Wegrow, Sokolow und Wysokie bis Brest verlaufen ist.

15.-18. Jahrhundert

Mitte des 15. Jahrhunderts entand eine Verbindung von Wegrow über Chodow, Siedlce und weiter bis Lukow, wodurch sich die Podlachien-Route wesentlich veränderte. Ende des 17. Jahrhunderts gewinnt die Verbindung Warschau – Brest, die über Siedlce führt, wesentlich an Bedeutung. Sie wird in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts zum Hauptverbindungsweg, während die Warschau-Route nur noch eine Nebenrolle spielt.

Auf die Siedlungsstruktur der heutigen Stadt Siedlce hatten vier Faktoren einen wesentlichen Einfluss: zum einen die Entstehung des Dorfes Siedlce, dann die Verteilung des Stadtrechtes nach Magdeburger Recht durch den polnischen König Sigismund I. (1547), weiter die Gründung einer Magnatenresidenz sowie die Eingliederung der naheliegenden Dörfer oder ihrer Teilgebiete in das Stadtgebiet (Piaski Zamiejskie, Piaski Starowiejskie, Roskosz, ein Teil des Landgutes Stara Wies und des Landgutes Golice).

Die endgültige Struktur des Dorfes Siedlce entstand in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts. Auf dieser Grundlage entwickelte sich der Ort immer weiter. In der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts entstand neben dem alten Dorf ein neues Dorf, das im Jahre 1503 von Daniel Siedlecki gegründet wurde und den Namen „Nova Siedlcza” trug. Beide Dörfer waren eng miteinander verbunden durch eine neue Kirche, die 1530 errichtet wurde. Das Magdeburger Recht vom 15. Januar 1547 nach König Sigismund I. hat den typischen Charakter der Stadt Siedlce geprägt. Das war der wichtigste Einfluß auf die weitere Entwicklung der Stadt und hat die ehemals zerstreuten und nur locker verbundenen Gebiete zu einer Einheit geformt.

Damit ist die Struktur der Stadt im wesentlichen geprägt durch:

  • das Stadtgebiet, den Gutskomplex und den Ort Stara Wies.

Die städtische Struktur von Siedlce Ende des 18. Jahrhunderts ist klar und architektonisch abgestimmt und belegt die planmässige weitere Entwicklung der Stadt.

Die Veränderungen ergaben sich in zeitlichen Abständen und sind geprägt zum einen durch Kazimierz Czartoryski, zum anderen durch Aleksandra Oginska. Ihre umfangreichen Umbautenhaben die Siedlungsstruktur von Siedlce völlig verändert, besonders in der Zeit von Aleksandra Oginska.

Begonnen hat es aber mit Kazimierz Czartoryski. Nach dem Brand von 1692, durch den ein Teil der Stadt zerstört wurde, hat K. Czartoryski dem Marktplatz und den naheliegenden Strassen eine neueForm gegeben. Dadurch war dann auch der weitere Ausbau der Stadtmitte und des Stadtrandes im 18. Jahrhundert möglich. Aleksandra Oginska hat sich vor allem auf den Palast konzentriert und ihn grundlegend umgebaut. Der Palast-Komplex wurde nördlich um einen Park und einen eindrucksvollen Garten erweitert.

19. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Stadt schwungvoll weiter, inbesondere mit zentralenVerwaltungsfunktionen. Siedlce war während der österreichischen Besatzungzunächst ein Kreisamt (1795-1809), dann die Hauptstadt des Departaments (1810-1815) im Herzogtum Warschau, anschließend die Hauptstadt der Woiwodschaft Podlachien (1815-1837) und zweimal der Sitz der Gouvernementverwaltung (1837-1844 und 1867-1912), der Landkreisverwaltung (1844-1866 und 1913-1915) während der russischen Besatzung, und auch Sitz der Landkreisverwaltung (Kreisamt -1915-1918) des Generalgouvernements Warschau, während der ersten deutschen Besatzung. Ein weiterer wichtiger Faktor für die Entwicklung der Stadt Siedlce war ihre Lage an der Kreuzung der zentralen Verbindungswege. Die Stadt hat weiter an Bedeutung gewonnen, als die Verbindung Warschau-Brest (1818-1820) erneuert und die Bahnstrecke zwischen Siedlce und Warschau (1866), Brest (1867), Malkinia (1887) und Czeremcha (1906) gebaut wurden.

In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ist die Einwohnerzahl rasant gewachsen. 50% der Einwohner waren Juden, die vor allem den Handel und das Handwerk betrieben haben. Einen Großteil der Bevölkerung bildeten die Russen, hauptsächlich die Angestellten der zaristischen Verwaltung. Bis zur Hälfte des 19. Jahrhunderts hat sich Siedlce gemäß der Siedlungsstruktur des 18. Jahrhunderts entwickelt, aber durch die stark steigende Einwohnerzahl wurde die Bebauung dichter und höher, mit zwei bis zu drei Geschoßen. Aufgrund der Warschau-Brest-Verbindung hat sich das westliche Stadtgebiet stark verändert, wie zum Beispiel durch die Rozyckiego-Strasse (heute J. Piłsudskiego-Strasse), wo die Warschau-Brest-Verbindung verlaufen ist; den Bau des Gefängnisses und der Stadtmauern. Allerdings haben die Stadmauern verhindernt, dass sich die Stadt in den folgenden 50 Jahren erweitern konnte. Nach 1840 wurde zwar wieder mit der Erweiterung begonnen, aber durch den Brand von 1854, der 45% der Stadt zerstört hat, wurden die Bauarbeiten zur Erweiterung der Stadt länger unterbrochen.

In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts orienterte sich der Stadtausbau nach Süden, bedingt durch den Ausbau der Bahnstrecke (1866-1867). Durch den nächsten Brand in 1865, der über 100 Häuser im Zentrum vernichtet hat, wurde die Raumplanung der Stadt unter Berücksichtigung des Bahnhofs grundlegend überarbeitet. Das wieder aufzubauende Wohnviertel wurde mit der Stadtmitte durch die Alejowa-Strasse (heute Kilinskiego-Strasse) verbunden.

Seit Siedlce die Stadrechte (1547) bekommen hat, war die Stadt bis 1807 in Privateigentum, zuerst im Eigentum der Familie Gniewosz Siedlecki, in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts im Eigentum der Familie Oledzki; seit der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts im Eigentum der Familie Czartoryski und der mit ihr verwandten Familie Oginski. Nach dem Tod von Aleksandra Oginska 1798 ging das Erbe auf die Familie Czartoryski über. Im Jahre 1807 hat die Familie Czartoryski mit der österreichischen Regierung das Eigentum an der Stadt gegen ein Landgut um Lublin ausgetauscht.

In der Zeit des Übergangs vom 19. Jahrhundert in das 20. Jahrhundert hat sich die Stadt nach Westen erweitert. Mit der raschen urbanen Erweiterung verbunden war auch eine deutliche wirtschaftliche Entwicklung. Die westliche Vorstadt entwickelte sich sehr schnell, so dass sie von der Stadtverwaltung in die Stadt aufgenommen wurde.

1907 - 1939

Im Jahre 1907 hat sich die Stadt durch den Anschluss der Vorstadt Stara Wies, die teilweise in privatem und teilweise in kirchlichem Eigentum war, deutlich erweitert. In die Stadt integriert wurde auch die kleine Siedlung Aleksandrowek sowie das Landgut Stara Wies und das Gutshaus von Napoleon Jasinski.

Vor dem 1. Weltkrieg zählte Siedlce über 30 000 Einwohner. Durch den 1. Weltkrieg wurde die weitere Entwicklung der Stadt unterbrochen.

In den Jahren der Zweiten Republik Polen war Siedlce eine Kreisstadt in der Lubliner Woiwodschaft und der Sitz der Kreis- und Stadtverwaltung. Die Stadt lag im nördlichen Teil der Lubliner Woiwodschaft an den wichtigen West-Ost-Verbindungen und Nord-Süd-Verbindungen und hatte eine gute Anbindung an Warschau, Brest, Bialystok, Sokolow Podlaski, Wegrow, Lukow, Lublin und Garwolin.

In der Zwischenkriegszeit war Siedlce ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, Verwaltungs-, Handels-, Handwerks- und Kulturzentrum und der größte Arbeitsmarkt in Podlachien. Die Stadt war auch ein wichtiges Bildungszentrum auf hohem Niveau mit den öffentlichen beruflichen und allgemeinbildenden mittleren Schulen. Hier war das Zentrum des sozialen und politischen Lebens der Region, hier hatten die politischen Parteien und sozialen Einrichtungen ihren Sitz, die Redaktionen der Podlachien-Presse sowie polnische und jüdische Gewerkschaften. Die Stadt war damals ein wichtiges Zentrum der jüdischen Kultur. Siedlce war keine industrielle Stadt, sie war geprägt von einem sehr gut entwickelten Handwerk wie Schneidereien und Schustereien. Die Siedlcer Industrie begrenzte sich auf wenige kleine Fabriken. Viel dynamischer hat sich der Handel entwickelt. In dieser Zeit war die Stadt in der Region das Zentrum des Handels mit Waren.

In der Zwischenkriegszeit erweiterte sich die Stadt vorwiegend in die nördliche Richtung, wo das neue Wohnviertel „Nowe Siedlce” entstand, für das Einfamilienhäuser typisch sind. Weniger intensiv hat sich Siedlce in andere Richtungen erweitert. Im Ostteil entstand ein Arbeiterwohnviertel, geprägt von den Straßen Kazimierzowska, Oginskich, Krolowej Jadwigi, Topolowa, Lipowa und Staszica. Am westlichen Stadtrand in der Flussniederung von Muchawka, zwischen der Warschauer-Straße und dem Gelände „Gesi Borek”, entstand 1927 an der Glashütte das Arbeiterwohnviertel Boleslaw-Limanowski. Im Jahre 1931 wurde das Stadtgebiet um den Ort Stara Wies erweitert.

Vor dem Ausbruch des 2. Weltkrieges zählte Siedlce 41.294 Einwohner, darunter waren 37% Juden.

Der 2. Weltkrieg

Im 2. Weltkrieg wurden fast 50% der Stadt zerstört. Am meisten hat die Stadtmitte gelitten, besonders am Bahnhof, in Trümmern lag auch das Rathaus „Jacek”, der Oginski-Palast wurde ebenfalls sehr stark beschädigt. Die Zahl der Einwohner sank im Juli 1944 auf 27.584 Personen.

Nach dem 2. Weltkrieg war Siedlce eine Kreisstadt zuerst in der Lubliner, danach in der Warschauer Woiwodschaft. Im Jahre 1975 wurde die Stadt zur Hauptstadt der neugebildeten Woiwodschaft Siedlce. In dieser Zeit entwickelte sich die Schwer-, Elektromaschinen- und Textilindustrie sowie die Obst- und Gemüseverarbeitung. Die Stadt hat sich nicht nur wirtschaftlich weiter entwickelt, auch die Infrastruktur für die Bevölkerung wurde ausgebaut und in Kultur und Bildung wurde erheblich investiert.

Im Jahr 1969 wurde die Pädagogische Hochschule gegründet, die derzeit als Natur- und Geisteswissenschaftliche Universität Siedlce geführt wird. Im Jahr 1999 wurde die Hauptschule für Verwaltung und Finanzen, heute Collegium Mazovia Innovative Hochschule, ins Leben gerufen.

Seit 1999 ist Siedlce eine Kreisstadt in der Woiwodschaft Masowien.